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- Diskussionsveranstaltung zum
Frauenprotest in der Rosenstraße
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- Vorbemerkung
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- Die öffentliche
Diskussionsveranstaltung zum Frauenprotest in der
Rosenstraße fand mit fünf Zeitzeuginnen und Zeitzeugen
im Kreiskulturhaus Mitte in der Rosenthalerstr. in Berlin am 28.2.
1992 statt. Zwei Tage zuvor hatten wir die Projektgruppe
Rosenstraße, eine Litfaßsäule in der
Rosenstraße errichtet, auf der wir unsere Arbeitsergebnisse
angebracht hatten. Die Litfaßsäule stand in etwa an dem
Ort, an dem sich auch 1943 eine befunden hatte.
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- Mehrere Zeitungen, die durch
unsere Öffentlichkeitsarbeit aktiviert über die
Litfaßsäule und den Protest in der Rosenstraße
schrieben, machten auf die Veranstaltungen aufmerksam. Zudem
hatten wir persönlich und über einige andere Zeitungen
zu der Veranstaltung eingeladen. Es kamen ca. 70 Menschen, mehr
hätte der Veranstaltungsort, den wir mit Absicht so "klein"
gewählt hatten, auch nicht gefaßt.
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- Diskussionsveranstaltung zum
Frauenprotest in der Rosenstraße / 28.2.1992
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- (Projektgruppe
Rosenstraße): Wie erlebten Sie in der Rosenstraße
diesen ersten großen Bombenangriff 1943 auf
Berlin?
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- Herr B: Diesen Bombenangriff -
das wird für Sie merkwürdig klingen - habe ich mit
merkwürdigen Akzenten im Gedächtnis behalten. Sowas
hatten wir in Berlin schließlich noch nicht gesehen. Man
sagte uns, daß wir die Fenster verdunkeln sollten, damit wir
kein Ziel abgeben. Trotzdem haben wir geguckt, und hofften,
daß dieser Bombenangriff Vergeltung war. Für uns war es
ein Signal - und daran sehen Sie, wie naiv wir damals waren. Wir
hatten keine Angst, obwohl wir nicht in den Keller durften.
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- Frage: (Projektgruppe
Rosenstraße): Welche Gedanken hatte Sie bei der Selektion in
der Großen Hamburger Straße?
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- Herr B.: Gedanken ergeben sich
im Austausch mit den Mitbetroffenen. Und wenn sich dann
herausstellt, daß die Nazis nach ganz bestimmten Kriterien
vorgegangen sind, dann kann man durchaus die Hoffnung haben, da
sind die Gleise schon gestellt.
- Meiner Einschätzung nach
... Hypothesen gibt es viele, ... wenn man heute über die
Frauen und Männer - denn es waren ja auch Frauen im Haus -
redet, dann dürfte das nicht heißen, daß sie eine
Schlacht gegen die Gestapo gewonnen haben. Das hieße
wirklich, die Nazis - dieses erbärmliche Regime - zu
unterschätzen. Man hatte sehr wohl, das sind meine
Spekulationen, Gründe, das auf kleiner Flamme zu kochen. Wenn
man von diesen Frauen spricht, dann muß ich sagen, daß
sie zu ihren Männern gehalten haben - auf Gedeih und Verderb.
Es mag heute altmodisch klingen, "Bis, daß der Tod uns
scheide ...", das war das, was man dort drinnen erlebt hat - und
im Nachhinein auch. Das ist also für mich der Punkt. ...
Sicherlich stimmt, daß da Nachrichten nach draußen
gedrungen sind, wie wir vorhin hier gehört haben. Aber,
daß das so eine Art politisch motivierte Aktion gewesen ist,
das kann mir heute keiner weismachen. Das war die
Spontaneität von Partnern, sich für ihre Ehepartner,
Kinder und Eltern einzusetzen.
-
- Frage: (Projektgruppe
Rosenstraße): Sie haben damals ein Schachbrett aus einem
Fetzen Stoff gemacht. Also, in der Situation Schach zu spielen,
das ist ja doch ein Wahnsinn, wenn ich mir das so vorstelle ...
Haben dort mehrere Leute gespielt? Oder war die Stimmung recht
unterschiedlich? War's eher mehr ein "Jetzt erst recht"! -
Durchhalten? Oder wollte man sich ablenken?
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- Herr B.: Ich glaube, in solchen
Situationen versucht man, wenn möglich, Zeit durch
irgendwelche Aktivitäten zu überbrücken. Das kann
ein Gespräch sein, - Aktivitäten können auch im
Nachdenken bestehen. Aber nur in Angst darauf zu warten, daß
jetzt der SS-Stiefel die Treppe heraufstürmt, ist eigentlich
der physische Untergang. Das war einem damals nicht so
bewußt, würde ich heute im Nachhinein so behaupten. Und
die Frage nach der Stimmung ... kann ich nicht
beantworten.
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- Frage: (Projektgruppe
Rosenstraße): Wie war das bei Ihrer Entlassung?
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- Herr B.: Also, wenn ich mich
recht entsinne, dann wurden wir einzeln entlassen. Meine
Vermutungen gehen ja dahin, daß der Aufenthalt in der
Rosenstraße ja dazu nötig war, zu überprüfen,
ob diejenigen, die Sternträger waren, auch wirklich in der
Familie wohnten, wo der "arische" Teil mit ansässig war. Das
lief dann über die zustän-digen Polizeireviere. Es
könnte ja auch sein, daß dieser Part getrennt lebte,
dann hieß das: Todesurteil. - An Details kann ich mich nicht
entsinnen. Ich nehme nicht an, daß ich noch ein paar
freundliche Worte mit auf den Weg gekriegt habe. - Aber ich habe
ein freundliches Wort gekriegt, als ich dann noch einmal nach
Treptow mußte (der Betrieb, in dem Herr L vor der
Fabrik-Aktion als Zwangsarbeiter arbeitete lag dort), -
"sterntragend". Da ist mir eine wildfremde ältere Frau um den
Hals gefallen und hat gesagt: "Jungchen, ist das schön,
daß du wieder da bist!" - das werde ich nicht vergessen. -
Also, solche Sachen konnten in Berlin passieren ...
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- Frage: (Projektgruppe
Rosenstraße): Nach der FabrikAktion gab es doch noch eine
dreiwöchige Arbeitssperre ...
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- Herr B.: Ja, wie ich erst jetzt
durch Sie oder durch andere, die an diesem Thema arbeiten,
erfahren habe, soll dieses Arbeitsamt in dieser Zeit ausgebombt
worden sein, so daß sich zwangsläufig ergeben hat,
daß sie uns erst danach holen konnten.
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- Frage aus dem Publikum: Wie war
denn das Verhältnis im Betrieb zu den Kollegen.
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- Herr B.: Der damalige Meister
hatte, - das weiß ich - einen sehr guten Ruf bei uns. Die
Vorarbeiter haben uns in keiner Weise drangsaliert. So etwas ist
sicherlich auch nur in Berlin möglich gewesen. Ich weiß
nicht, wie so etwas in der Provinz gelaufen wäre
...
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- Frage aus dem Publikum: Sie
halten den Massenauflauf der Frauen für nicht so wichtig?
Vorher sind viele Volljuden abtransportiert worden. Wie
erklärt man sich denn, daß so viele Frauen an diesem
Datum zusammenkamen und gegen dieses System kämpften? Nicht
nur emotional, sondern auch in der Masse?
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- Frau B.: Die Volljuden waren
noch viel verängstigter als wir "Privilegierten", vielleicht
noch nicht einmal "Sternträger" - aber wir hatten Freunde,
die waren damals alle so in unserem Alter, 18, 19, 20 ..., die
dermaßen verängstigt waren, daß sie diesen Mut
nicht einmal mehr aufgebracht haben.
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- Herr B.: Ich habe es in keiner
Weise heruntergespielt; für mich ist das eine menschliche
Aktion gewesen - und das schätz' ich in der damaligen
Situation, - also, wenn ich sage hoch ein, - dann ist das gar
nichts! - Aber ich denke, wir müssen uns heute hier nicht in
Superlativen ergehen. Ich würde sagen, für diese Frauen
schon ein Denkmal. Aber, daß sie Widerstandskämpfer im
organisierten Sinne gewesen wären, das kann man ja wohl
verneinen. Und ich glaube, man sollte diesen Vorgang nicht
idealisieren.
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- Frage: (Projektgruppe
Rosenstraße): Wie schätzen Sie das Ereignis aus
heutiger Sicht ein? Was bedeutet das für uns, die wir uns das
heute anhören?
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- Frau B.: Ich meine, wir wissen,
daß nach dem Holocaust so viele andere schreckliche Dinge -
Kriege - geschehen sind, daß man annehmen kann, alles ist in
den Wind gesprochen. - Ich finde, daß nur ganz enge
menschliche Kontakte wesentlich dazu beitragen können,
daß Menschen anders miteinander umgehen
können.
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- Herr B.: Wenn ich das
vielleicht noch verstärken kann. Ich glaube, daß man
solche Miseren wie die Nazizeit nur durch Information verhindern
kann. Ich will damit sagen, daß man durch Information viel
mehr erreichen kann als das durch Agitation und Medien
überhaupt möglich ist. Information ist nach meinem
Dafürhalten der beste Schutz, der gegeben werden kann, um
für die Zukunft so etwas auszuschalten. - Dafür
möchte ich mich auch bei der Studentengrupppe und ihrem
Dozenten der Fachhochschule bedanken.
-
- Frage aus dem Publikum: Ich
halte den konstruierten Gegensatz von "menschlich" und "politisch"
für töricht. Natürlich war das Anliegen
menschlich-moralisch motiviert, aber es war doch im Ergebnis eine
politische Aktion. Ich verstehe nicht die Relativierung dieser
Aktion, die einzig dasteht für das Deutschland des Faschismus
zwischen 1933 und 1945. Warum nicht ein Denkmal?
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- Ich schlage deswegen eine
Initiative zusammen mit den sozialpädagogischen KollegInnen
vor. Wir haben ein israelisches Generalkonsulat in Berlin. Es gibt
in Israel eine Ehrenmedaille, mit der "Auszeichnung des
Gerechten". Damit werden deutsche Bürger vom Staat Israel,
die sich während der faschistischen Nacht den jüdischen
Mitbürgern angenommen haben, ausgezeichnet. Ja, wer denn
sonst - wenn nicht diese Frauen sollte solch eine Medaille
bekommen. Es waren Menschen, Frauen, die sich für andere
eingesetzt haben, ohne Rücksicht auf eigenes Risiko. Es waren
Ehefrauen, - ja auch heute ist es ja noch üblich, daß
Partner für einander einstehen. Deshalb gehören diese
Frauen gewürdigt. Ob man sie "Widerstandskämpfer" nennt,
- ich habe immer eine solche Angst vor Eingrenzungen,
Ausgrenzungen; die haben wir doch hinter uns, in der ehemaligen
DDR.
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- Sollen diese Frauen, die in
dieser Februartagen demonstriert haben, etwa nichts bewirkt haben?
Sie haben Unsicherheit ausgelöst bei der Gestapo. Und sie
haben zu Differenzierungen beigetragen, bis in die
Reichsführung der Nazis, - das wissen wir aus Unterlagen und
Dokumenten. Deshalb kann man eigentlich die Frauen aus der
Rosenstraße nicht genug ehren, weil sie auch die Nazis, in
ihrer Machtgröße und Machtfülle, das Fürchten
gelehrt haben.
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- Bemerkung aus dem Publikum: Die
Journalistin Ursula Kardorf, die von 1910-1988 lebte und zuletzt
für die Süddeutsche Zeitung schrieb, schreibt in ihren
Tagebüchern, Berlin 1943-45, Widerstandsverlag München:
"Die Journalisten in Berlin hatten von 1943-45 das
Bewußtsein, dieser Vorgang ist einmalig
gewesen."
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- Einwurf aus dem Publikum: Kurz
ein Einwurf bzw. eine Ergänzung: Die Mischlings- und
Mischehen-"Geschichte" ist wahnsinnig kompliziert. Ich spreche
jetzt als Historikerin. Ich würde dem Ehepaar B. in ihrer
Einschätzung Recht geben. - Das, was in der Rosenstraße
passiert ist, das Aussondern in den anderen Sammellagern
"Große Hamburger", "Levetzowstraße", "Clou",
"Gerlachstraße" fand dort statt, mit dem Ziel, mit den
Mischlingen und Mischehepartnern anders zu verfahren als mit den
Volljuden. Es gab die "Wannseekonferenz am 20.01 1942" und sieben
Nachfolgekonferenzen danach, und da wurden die sogenannten
Mischlings- und Mischehefragen auf die Zeit nach dem "Endsieg"
vertagt. Diese sollten erst einmal nicht deportiert und
getötet werden. Dies sollte man wissen.
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- Bemerkung aus dem Publikum
(Gernot Jochheim): Es gab innerhalb der Naziführung
unterschiedliche Auffassungen darüber, was mit den
Mischlingen und Mischehepartnern geschehen sollte; - diese
unterschiedlichen Auffassungen führten dazu, daß es
keine einheitliche Meinung gab. Fest steht aber, daß Berlin
durch die Fabrik-Aktion "judenfrei" gemacht werden sollte. - Das
war eine alte Vorstellung von Goebbels. - Dieser ist es
übrigens auch, daß kann man in dessen Tagebüchern
lesen, der den Befehl, die Aktion in der Rosenstraße, - so
etwas muß es auch in der Hamburger Straße gegeben
haben (er schreibt da von "Vorkommnissen vor einem jüdischen
Altersheim") - zu beenden, gegeben hat mit der Wirkung, daß
man die Gefangenen entläßt. "Später können
wir uns der Sache gründlicher annehmen."
- Eine letzte Information.
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- Aus der Rosenstraße sind
ja 25 Männer, die mit nicht-jüdischen Ehepartner
verheiratet waren, nach Auschwitz gebracht worden. Übrigens
war die Sache mit den Maschinengewehren donnerstags, freitags
deren Abtransport. Als deren Frauen merkten, daß sie
abtransportiert wurden, da rückten die der Gestapo auf die
Bude ...
-
- Diese 25 sind
zurückgekommen. Zwar wurden sie hier in Berlin nicht sofort
freigelassen, sondern kamen in ein Lager bei Großbeeren.
Aber nach meinen Informationen hat keiner von ihnen den Krieg
nicht überlebt. Ich selber habe mit einem von denen, Bruno
Blau, gesprochen, der dies alles bestätigt hat.
- Die Frage ist also: Warum sind
sie nach Auschwitz transportiert worden, wenn von vorne herein
festge-standen haben sollte, daß mit den Mischehepartnern
und Mischlingen anders verfahren werden sollte, als mit den
sogenannten Volljuden?
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- Frage aus dem Publikum: Ich
wollte vor allem fragen, was aus dem ersten Mann von Frau F.
geworden ist?
-
- Frau F.: Als mein Mann nach
Hause kam, war er erst für drei Wochen im Bett, er war
vollkommen fertig. Er ist nach fünf Jahren gestorben. Die
Ärzte wußten nicht, warum. Als er in die
Rosenstraße gebracht wurde, da ging es die Treppe hoch und
hinter ihm ging ein SA- oder SS-Mann mit Gewehr. Er konnte ja, da
er doppelseitige Kinderlähmung hatte, nur ganz langsam und
schwierig die Treppe hochgehen. Der Soldat hat ihn angeschrien:
"Nun loof mal een bisken schneller!", und hat ihm den Gewehrkolben
auf das Rückgrat geschlagen, in die Nierenpartie. Das blieb
immer und daran ist er gestorben! Er hat danach immer Beschwerden
gehabt. Das war es!
-
- Es waren eben ganz brutale,
teilweise über Jahre, durch die Hitlerjugend einseitig
aufgehetzte Menschen, die praktisch zu jedem Mord bereit waren
...
- Aber ich bin so ein Mensch, ich
habe keinen Haß. - Ich mag auch nicht, wenn gesprochen wird
über Ausländer. Wir sind doch alles Menschen, wir
brauchen das doch nicht nachmachen, finden Sie das nicht auch? -
Schön, ich denke fast jeden Tag daran, was damals geschehen
ist, aber nicht mit Haß, auf keinen Fall.
- Das werden die Deutschen sehr
schwer lernen, daß es nicht auf Rasse und Hautfarbe ankommt.
Wir machen da gerade ein Stadium der Besserung durch ...,
daß es ankommt auf den Charakter des einzelnen
Menschen.
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- Frage aus dem Publikum: Sind
diese Mißhandler zur Rechenschaft gezogen worden nach
1945?
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- Frau B.: Naja, es gab diese
Prozesse ...!
-
- Herr B.: Ich will die Frage
jetzt nicht zynisch beantworten, aber mir hat keiner der Herren
seine Visitenkarte gegeben, so daß ich seinem Lebenslauf
hätte nachgehen können. Ich habe keine
Ahnung.
-
- Frage aus dem Publikum: Wie
ging es weiter?
-
- Herr B.: Schwerarbeit im
Glastransport, mit holländischen Zwangsverpflichteten, mit
Deutschen, von der Wehrmacht Freigestellten und mit Älteren.
Das Verhältnis war ein sehr kollegiales. Auch die Leute in
dem Haus, - das Lager befand sich in Hinterhöfen, wo sich
alles abspielte, - haben einem ab und zu eine Lebensmittel-karte
zugesteckt.
-
- Die Firma, Leute aus den
Büros, soweit sie mit uns zu tun hatten, waren, - ich will
nicht mehr sagen, - korrekt. Also an diesen Stellen hatte ich
keine negativen Erfahrungen. Die anderen sind schon schlimm genug.
Ein paar Mal, wie meine Frau schon sagte, mußte man wieder
abtauchen. Man konnte ja diesen Gerüchten oder Parolen - wenn
es wieder hieß "Es gibt wieder Aktionen" - schwerlich auf
den Grund gehen. Wenn man also etwas hörte, dann verschwand
man mal wieder für ein paar Tage. Einmal war ich in einem
leeren Haus eine Woche untergebracht. - Die Leute riskierten ja
auch etwas; es gab da Leute in der katholischen Kirche, die mich
da untergetaucht hatten.
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- Frage aus dem Publikum: Wie war
das denn mit der Abwesenheit auf der Arbeitsstelle?
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- Frau B.: Es gibt doch
Krankenscheine!
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- Herr B.: Einmal war da diese
etwas längere Zeit, wovon ich sprach, sonst waren es immer
nur Nächte.
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- Frage aus dem Publikum: Wenn
Sie etwas gehört haben über neue Aktionen
...
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- Herr B.: Ja, wenn wir etwas
gesteckt bekommen haben. Ja, es war jemand bei der Gestapo als
Kraftfahrer beschäftigt - und der hat solche Nachrichten halt
weitergegeben.
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- Frage aus dem Publikum: Gab es
danach noch weitere Aktionen gegen die Juden?
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- Frau B.: Ja, die Juden waren ja
zu dieser Zeit schon abgeholt worden. Man hatte ja Berlin mit der
Fabrik-Aktion "judenfrei" gemacht.
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- Herr B.: Sofern sie nicht
gesichert waren durch Mischehen.
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- Frau B.: Naja, oder
untergetaucht. Aber ansonsten gab es keine Juden mehr in Berlin.
Es sei denn, mit Ariern "versippt", wie man sagte. Aber hat es
denn danach noch Aktionen gegeben? - Ich meine, so kleinere schon.
Wenn wir immer versucht haben, die zu verstecken. An
größere kann ich mich nicht mehr entsinnen.
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- Herr B.: Ja, es hat
Einzelaktionen, insofern personenbezogen, gegeben. Es waren ja
viele untergetaucht. Die Zahl weiß man heute nicht. Und es
hat auch Spitzel gegeben. (Zustimmung seiner Frau) Die auch
für die Gestapo so etwas gemacht haben, - und dann wurden die
Leute abgeholt. Ich habe zwei Jahre lang mit einem solchen Spitzel
meine Zeit in der Schule verbracht, also im Vorfeld dieser
Tätigkeit.
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- Frau B.: Aber die hatten eine
Menge Leute, man weiß nicht wie viele verpfiffen. Wenn die
gesichtet wurden ...
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- Frage aus dem Publikum: Wie war
das für Sie nach 1945 gewesen?
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- Herr B.: Wir hatten ja auch
während der Nazi-Zeit niemals darüber nachgedacht, ins
Ausland zu gehen, - und danach, als man das alles erlebt hatte,
erst recht nicht. Das war dann an und für sich der Punkt, wo
man politisch aktiv wurde. Weniger aufgearbeitet hat, was einem da
persönlich passiert ist. Deswegen fällt es nun so
schwer, wenn man so viele Dinge gefragt wird. Man hat sich damals
nichts notiert.
- Das wäre vielleicht sehr
wichtig gewesen. Aber das heißt nicht, daß man
deswegen unpolitisch gewesen ist. Im Gegenteil, es war für
uns klar, zukünftigen Regungen, muß man entgegen
arbeiten. (Zustimmung aller anwesenden ZeitzeugInnen.)
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- Frage aus dem Publikum: Ich
wollte noch einmal zurückkommen - es war vorhin die Rede von
einem Denkmal, auf dem Informationen gegeben werden sollen, die
vielen in der Bevölkerung ja offensichtlich fehlen. Meine
Frage deshalb, ob Sie sich mit der Künstlerin in Verbindung
gesetzt haben, die seit Jahren aus ihrer eigenen Betroffenheit,
aus jüdischer Herkunft kommend, sich mit dem Thema
befaßt hat, und ohne, daß es einen Anstoß gab,
sich einfach mit dem Menschlichen, den Angehörigen, die
füreinander eingestanden sind, befaßt hat.
-
- Die macht das also seit Jahren,
und ringt zur Zeit noch um die Möglichkeit, dieses Denkmal
materialisieren zu können. Die Galerie, von der ich komme,
hat 1990 im Rahmen einer Ausstellung, die ihr gewidmet war, auch
Entwürfe dieses Denkmals gezeigt. Es wäre sehr
schön, wenn man ihr Gelegenheit gibt, ihr Anliegen auch an
diese Litfaßsäule zu bringen.
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- Projektgruppe
Rosenstraße: Ich kann dazu sagen, daß wir erst nach
dem Aufstellen der Litfaßsäule von der Bildhauerin
erfahren haben. Daß es das gibt, daß eine Frau da seit
einigen Jahren daran arbeitet, daß dort ein Denkmal steht.
Und ich hatte das so verstanden, daß es auf jeden Fall auch
keine Schwierigkeiten gibt, daß dieses Denkmal auch in einem
Jahr dorthin gestellt wird. Ich denke, es wäre sicher
schön gewesen, sie wäre auch gekommen. Wir haben sie
auch eingeladen, aber alles sehr, sehr kurzfristig, weil wir, wie
gesagt, erst diese Woche davon erfahren haben. Und wie man jetzt
vielleicht auch aus der Veranstaltung heraus, in Verbindung mit
dem Denkmal und der Litfaßsäule überlegen
könnte, wie irgendeine feste Installation an den Ort kommt,
weiß ich nicht. Da ließe sich ja vielleicht auch hier
nochmal drüber reden, damit das auch wirklich mal passiert,
und nicht erst in vielen, vielen Jahren, wenn das alles schon
wieder vergessen ist.
-
- Herr B.: Wenn ich nochmals
etwas zur Denkmalfrage sagen darf: Man kann ja nun nicht von der
Gruppe, die das als Seminarthema gewählt hat, alles
verlangen. Ich glaube, jeder von uns ist aufgerufen, wer
irgendwelche Kontakte hat, dieses Vorhaben öffentlich zu
machen. Welche Kanäle man da auch immer nutzt, zu denen man
Zugang hat.
-
- Frau B.: Ja, obwohl ich es
nicht einsehe, was ist ein Denkmal? Ich finde es viel wichtiger,
wenn wir uns darauf stürzen, den Jugendlichen klar zu machen,
was das bedeutet hat. Und da bin ich den jungen Leuten von heute
dankbar, daß sie versuchen, das zu vermitteln an
Schulen.
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- Zwischenbemerkung aus dem
Publikum: Ich möchte nur noch mal was dazu sagen - zu diesen
Differenzierungen zwischen menschlicher und politischer Aktion.
Ich denke, daß die Frauen dorthin gegangen sind und
demonstriert haben, war eine menschliche Aktion, die dadurch,
daß es so viele waren, und daß sie sich getraut haben,
politisch war. Ich denke, wir können einfach nicht trennen
zwischen menschlich und politisch.
- (Applaus)
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- Herr B.: Ja, ist doch
vollkommen korrekt, was Sie sagen!
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- Herr F.: Manchmal habe ich den
Eindruck, daß diese Sachen totgeschwiegen werden. Denn bis
vor kurzem hat man ja von dieser Sache so gut wie nichts - der
Demonstration der Frauen, - nichts davon gehört, außer
von eingeweihten Bekannten und Verwandten. Das wurde ja nie in
Zeitungen geschrieben ... es war ja praktisch tabu, daß
Frauen das Ruder in die Hand genommen haben! Die als einzige
Gruppe, möchte ich sagen, gewagt haben, gegen die
Nationalsozialisten aufzustehen und zu protestieren. Das ist
vorher nie vorgekommen - und nachher nicht mehr ...
-
-