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Diskussionsveranstaltung zum Frauenprotest in der Rosenstraße
 
 
Vorbemerkung
 
Die öffentliche Diskussionsveranstaltung zum Frauenprotest in der Rosenstraße fand mit fünf Zeitzeuginnen und Zeitzeugen im Kreiskulturhaus Mitte in der Rosenthalerstr. in Berlin am 28.2. 1992 statt. Zwei Tage zuvor hatten wir die Projektgruppe Rosenstraße, eine Litfaßsäule in der Rosenstraße errichtet, auf der wir unsere Arbeitsergebnisse angebracht hatten. Die Litfaßsäule stand in etwa an dem Ort, an dem sich auch 1943 eine befunden hatte.
 
Mehrere Zeitungen, die durch unsere Öffentlichkeitsarbeit aktiviert über die Litfaßsäule und den Protest in der Rosenstraße schrieben, machten auf die Veranstaltungen aufmerksam. Zudem hatten wir persönlich und über einige andere Zeitungen zu der Veranstaltung eingeladen. Es kamen ca. 70 Menschen, mehr hätte der Veranstaltungsort, den wir mit Absicht so "klein" gewählt hatten, auch nicht gefaßt.
 
Diskussionsveranstaltung zum Frauenprotest in der Rosenstraße / 28.2.1992
 
(Projektgruppe Rosenstraße): Wie erlebten Sie in der Rosenstraße diesen ersten großen Bombenangriff 1943 auf Berlin?
 
Herr B: Diesen Bombenangriff - das wird für Sie merkwürdig klingen - habe ich mit merkwürdigen Akzenten im Gedächtnis behalten. Sowas hatten wir in Berlin schließlich noch nicht gesehen. Man sagte uns, daß wir die Fenster verdunkeln sollten, damit wir kein Ziel abgeben. Trotzdem haben wir geguckt, und hofften, daß dieser Bombenangriff Vergeltung war. Für uns war es ein Signal - und daran sehen Sie, wie naiv wir damals waren. Wir hatten keine Angst, obwohl wir nicht in den Keller durften.
 
Frage: (Projektgruppe Rosenstraße): Welche Gedanken hatte Sie bei der Selektion in der Großen Hamburger Straße?
 
Herr B.: Gedanken ergeben sich im Austausch mit den Mitbetroffenen. Und wenn sich dann herausstellt, daß die Nazis nach ganz bestimmten Kriterien vorgegangen sind, dann kann man durchaus die Hoffnung haben, da sind die Gleise schon gestellt.
Meiner Einschätzung nach ... Hypothesen gibt es viele, ... wenn man heute über die Frauen und Männer - denn es waren ja auch Frauen im Haus - redet, dann dürfte das nicht heißen, daß sie eine Schlacht gegen die Gestapo gewonnen haben. Das hieße wirklich, die Nazis - dieses erbärmliche Regime - zu unterschätzen. Man hatte sehr wohl, das sind meine Spekulationen, Gründe, das auf kleiner Flamme zu kochen. Wenn man von diesen Frauen spricht, dann muß ich sagen, daß sie zu ihren Männern gehalten haben - auf Gedeih und Verderb. Es mag heute altmodisch klingen, "Bis, daß der Tod uns scheide ...", das war das, was man dort drinnen erlebt hat - und im Nachhinein auch. Das ist also für mich der Punkt. ... Sicherlich stimmt, daß da Nachrichten nach draußen gedrungen sind, wie wir vorhin hier gehört haben. Aber, daß das so eine Art politisch motivierte Aktion gewesen ist, das kann mir heute keiner weismachen. Das war die Spontaneität von Partnern, sich für ihre Ehepartner, Kinder und Eltern einzusetzen.
 
Frage: (Projektgruppe Rosenstraße): Sie haben damals ein Schachbrett aus einem Fetzen Stoff gemacht. Also, in der Situation Schach zu spielen, das ist ja doch ein Wahnsinn, wenn ich mir das so vorstelle ... Haben dort mehrere Leute gespielt? Oder war die Stimmung recht unterschiedlich? War's eher mehr ein "Jetzt erst recht"! - Durchhalten? Oder wollte man sich ablenken?
 
Herr B.: Ich glaube, in solchen Situationen versucht man, wenn möglich, Zeit durch irgendwelche Aktivitäten zu überbrücken. Das kann ein Gespräch sein, - Aktivitäten können auch im Nachdenken bestehen. Aber nur in Angst darauf zu warten, daß jetzt der SS-Stiefel die Treppe heraufstürmt, ist eigentlich der physische Untergang. Das war einem damals nicht so bewußt, würde ich heute im Nachhinein so behaupten. Und die Frage nach der Stimmung ... kann ich nicht beantworten.
 
Frage: (Projektgruppe Rosenstraße): Wie war das bei Ihrer Entlassung?
 
Herr B.: Also, wenn ich mich recht entsinne, dann wurden wir einzeln entlassen. Meine Vermutungen gehen ja dahin, daß der Aufenthalt in der Rosenstraße ja dazu nötig war, zu überprüfen, ob diejenigen, die Sternträger waren, auch wirklich in der Familie wohnten, wo der "arische" Teil mit ansässig war. Das lief dann über die zustän-digen Polizeireviere. Es könnte ja auch sein, daß dieser Part getrennt lebte, dann hieß das: Todesurteil. - An Details kann ich mich nicht entsinnen. Ich nehme nicht an, daß ich noch ein paar freundliche Worte mit auf den Weg gekriegt habe. - Aber ich habe ein freundliches Wort gekriegt, als ich dann noch einmal nach Treptow mußte (der Betrieb, in dem Herr L vor der Fabrik-Aktion als Zwangsarbeiter arbeitete lag dort), - "sterntragend". Da ist mir eine wildfremde ältere Frau um den Hals gefallen und hat gesagt: "Jungchen, ist das schön, daß du wieder da bist!" - das werde ich nicht vergessen. - Also, solche Sachen konnten in Berlin passieren ...
 
Frage: (Projektgruppe Rosenstraße): Nach der FabrikAktion gab es doch noch eine dreiwöchige Arbeitssperre ...
 
Herr B.: Ja, wie ich erst jetzt durch Sie oder durch andere, die an diesem Thema arbeiten, erfahren habe, soll dieses Arbeitsamt in dieser Zeit ausgebombt worden sein, so daß sich zwangsläufig ergeben hat, daß sie uns erst danach holen konnten.
 
Frage aus dem Publikum: Wie war denn das Verhältnis im Betrieb zu den Kollegen.
 
Herr B.: Der damalige Meister hatte, - das weiß ich - einen sehr guten Ruf bei uns. Die Vorarbeiter haben uns in keiner Weise drangsaliert. So etwas ist sicherlich auch nur in Berlin möglich gewesen. Ich weiß nicht, wie so etwas in der Provinz gelaufen wäre ...
 
Frage aus dem Publikum: Sie halten den Massenauflauf der Frauen für nicht so wichtig? Vorher sind viele Volljuden abtransportiert worden. Wie erklärt man sich denn, daß so viele Frauen an diesem Datum zusammenkamen und gegen dieses System kämpften? Nicht nur emotional, sondern auch in der Masse?
 
Frau B.: Die Volljuden waren noch viel verängstigter als wir "Privilegierten", vielleicht noch nicht einmal "Sternträger" - aber wir hatten Freunde, die waren damals alle so in unserem Alter, 18, 19, 20 ..., die dermaßen verängstigt waren, daß sie diesen Mut nicht einmal mehr aufgebracht haben.
 
Herr B.: Ich habe es in keiner Weise heruntergespielt; für mich ist das eine menschliche Aktion gewesen - und das schätz' ich in der damaligen Situation, - also, wenn ich sage hoch ein, - dann ist das gar nichts! - Aber ich denke, wir müssen uns heute hier nicht in Superlativen ergehen. Ich würde sagen, für diese Frauen schon ein Denkmal. Aber, daß sie Widerstandskämpfer im organisierten Sinne gewesen wären, das kann man ja wohl verneinen. Und ich glaube, man sollte diesen Vorgang nicht idealisieren.
 
Frage: (Projektgruppe Rosenstraße): Wie schätzen Sie das Ereignis aus heutiger Sicht ein? Was bedeutet das für uns, die wir uns das heute anhören?
 
Frau B.: Ich meine, wir wissen, daß nach dem Holocaust so viele andere schreckliche Dinge - Kriege - geschehen sind, daß man annehmen kann, alles ist in den Wind gesprochen. - Ich finde, daß nur ganz enge menschliche Kontakte wesentlich dazu beitragen können, daß Menschen anders miteinander umgehen können.
 
Herr B.: Wenn ich das vielleicht noch verstärken kann. Ich glaube, daß man solche Miseren wie die Nazizeit nur durch Information verhindern kann. Ich will damit sagen, daß man durch Information viel mehr erreichen kann als das durch Agitation und Medien überhaupt möglich ist. Information ist nach meinem Dafürhalten der beste Schutz, der gegeben werden kann, um für die Zukunft so etwas auszuschalten. - Dafür möchte ich mich auch bei der Studentengrupppe und ihrem Dozenten der Fachhochschule bedanken.
 
Frage aus dem Publikum: Ich halte den konstruierten Gegensatz von "menschlich" und "politisch" für töricht. Natürlich war das Anliegen menschlich-moralisch motiviert, aber es war doch im Ergebnis eine politische Aktion. Ich verstehe nicht die Relativierung dieser Aktion, die einzig dasteht für das Deutschland des Faschismus zwischen 1933 und 1945. Warum nicht ein Denkmal?
 
Ich schlage deswegen eine Initiative zusammen mit den sozialpädagogischen KollegInnen vor. Wir haben ein israelisches Generalkonsulat in Berlin. Es gibt in Israel eine Ehrenmedaille, mit der "Auszeichnung des Gerechten". Damit werden deutsche Bürger vom Staat Israel, die sich während der faschistischen Nacht den jüdischen Mitbürgern angenommen haben, ausgezeichnet. Ja, wer denn sonst - wenn nicht diese Frauen sollte solch eine Medaille bekommen. Es waren Menschen, Frauen, die sich für andere eingesetzt haben, ohne Rücksicht auf eigenes Risiko. Es waren Ehefrauen, - ja auch heute ist es ja noch üblich, daß Partner für einander einstehen. Deshalb gehören diese Frauen gewürdigt. Ob man sie "Widerstandskämpfer" nennt, - ich habe immer eine solche Angst vor Eingrenzungen, Ausgrenzungen; die haben wir doch hinter uns, in der ehemaligen DDR.
 
Sollen diese Frauen, die in dieser Februartagen demonstriert haben, etwa nichts bewirkt haben? Sie haben Unsicherheit ausgelöst bei der Gestapo. Und sie haben zu Differenzierungen beigetragen, bis in die Reichsführung der Nazis, - das wissen wir aus Unterlagen und Dokumenten. Deshalb kann man eigentlich die Frauen aus der Rosenstraße nicht genug ehren, weil sie auch die Nazis, in ihrer Machtgröße und Machtfülle, das Fürchten gelehrt haben.
 
Bemerkung aus dem Publikum: Die Journalistin Ursula Kardorf, die von 1910-1988 lebte und zuletzt für die Süddeutsche Zeitung schrieb, schreibt in ihren Tagebüchern, Berlin 1943-45, Widerstandsverlag München: "Die Journalisten in Berlin hatten von 1943-45 das Bewußtsein, dieser Vorgang ist einmalig gewesen."
 
Einwurf aus dem Publikum: Kurz ein Einwurf bzw. eine Ergänzung: Die Mischlings- und Mischehen-"Geschichte" ist wahnsinnig kompliziert. Ich spreche jetzt als Historikerin. Ich würde dem Ehepaar B. in ihrer Einschätzung Recht geben. - Das, was in der Rosenstraße passiert ist, das Aussondern in den anderen Sammellagern "Große Hamburger", "Levetzowstraße", "Clou", "Gerlachstraße" fand dort statt, mit dem Ziel, mit den Mischlingen und Mischehepartnern anders zu verfahren als mit den Volljuden. Es gab die "Wannseekonferenz am 20.01 1942" und sieben Nachfolgekonferenzen danach, und da wurden die sogenannten Mischlings- und Mischehefragen auf die Zeit nach dem "Endsieg" vertagt. Diese sollten erst einmal nicht deportiert und getötet werden. Dies sollte man wissen.
 
Bemerkung aus dem Publikum (Gernot Jochheim): Es gab innerhalb der Naziführung unterschiedliche Auffassungen darüber, was mit den Mischlingen und Mischehepartnern geschehen sollte; - diese unterschiedlichen Auffassungen führten dazu, daß es keine einheitliche Meinung gab. Fest steht aber, daß Berlin durch die Fabrik-Aktion "judenfrei" gemacht werden sollte. - Das war eine alte Vorstellung von Goebbels. - Dieser ist es übrigens auch, daß kann man in dessen Tagebüchern lesen, der den Befehl, die Aktion in der Rosenstraße, - so etwas muß es auch in der Hamburger Straße gegeben haben (er schreibt da von "Vorkommnissen vor einem jüdischen Altersheim") - zu beenden, gegeben hat mit der Wirkung, daß man die Gefangenen entläßt. "Später können wir uns der Sache gründlicher annehmen."
Eine letzte Information.
 
Aus der Rosenstraße sind ja 25 Männer, die mit nicht-jüdischen Ehepartner verheiratet waren, nach Auschwitz gebracht worden. Übrigens war die Sache mit den Maschinengewehren donnerstags, freitags deren Abtransport. Als deren Frauen merkten, daß sie abtransportiert wurden, da rückten die der Gestapo auf die Bude ...
 
Diese 25 sind zurückgekommen. Zwar wurden sie hier in Berlin nicht sofort freigelassen, sondern kamen in ein Lager bei Großbeeren. Aber nach meinen Informationen hat keiner von ihnen den Krieg nicht überlebt. Ich selber habe mit einem von denen, Bruno Blau, gesprochen, der dies alles bestätigt hat.
Die Frage ist also: Warum sind sie nach Auschwitz transportiert worden, wenn von vorne herein festge-standen haben sollte, daß mit den Mischehepartnern und Mischlingen anders verfahren werden sollte, als mit den sogenannten Volljuden?
 
Frage aus dem Publikum: Ich wollte vor allem fragen, was aus dem ersten Mann von Frau F. geworden ist?
 
Frau F.: Als mein Mann nach Hause kam, war er erst für drei Wochen im Bett, er war vollkommen fertig. Er ist nach fünf Jahren gestorben. Die Ärzte wußten nicht, warum. Als er in die Rosenstraße gebracht wurde, da ging es die Treppe hoch und hinter ihm ging ein SA- oder SS-Mann mit Gewehr. Er konnte ja, da er doppelseitige Kinderlähmung hatte, nur ganz langsam und schwierig die Treppe hochgehen. Der Soldat hat ihn angeschrien: "Nun loof mal een bisken schneller!", und hat ihm den Gewehrkolben auf das Rückgrat geschlagen, in die Nierenpartie. Das blieb immer und daran ist er gestorben! Er hat danach immer Beschwerden gehabt. Das war es!
 
Es waren eben ganz brutale, teilweise über Jahre, durch die Hitlerjugend einseitig aufgehetzte Menschen, die praktisch zu jedem Mord bereit waren ...
Aber ich bin so ein Mensch, ich habe keinen Haß. - Ich mag auch nicht, wenn gesprochen wird über Ausländer. Wir sind doch alles Menschen, wir brauchen das doch nicht nachmachen, finden Sie das nicht auch? - Schön, ich denke fast jeden Tag daran, was damals geschehen ist, aber nicht mit Haß, auf keinen Fall.
Das werden die Deutschen sehr schwer lernen, daß es nicht auf Rasse und Hautfarbe ankommt. Wir machen da gerade ein Stadium der Besserung durch ..., daß es ankommt auf den Charakter des einzelnen Menschen.
 
Frage aus dem Publikum: Sind diese Mißhandler zur Rechenschaft gezogen worden nach 1945?
 
Frau B.: Naja, es gab diese Prozesse ...!
 
Herr B.: Ich will die Frage jetzt nicht zynisch beantworten, aber mir hat keiner der Herren seine Visitenkarte gegeben, so daß ich seinem Lebenslauf hätte nachgehen können. Ich habe keine Ahnung.
 
Frage aus dem Publikum: Wie ging es weiter?
 
Herr B.: Schwerarbeit im Glastransport, mit holländischen Zwangsverpflichteten, mit Deutschen, von der Wehrmacht Freigestellten und mit Älteren. Das Verhältnis war ein sehr kollegiales. Auch die Leute in dem Haus, - das Lager befand sich in Hinterhöfen, wo sich alles abspielte, - haben einem ab und zu eine Lebensmittel-karte zugesteckt.
 
Die Firma, Leute aus den Büros, soweit sie mit uns zu tun hatten, waren, - ich will nicht mehr sagen, - korrekt. Also an diesen Stellen hatte ich keine negativen Erfahrungen. Die anderen sind schon schlimm genug. Ein paar Mal, wie meine Frau schon sagte, mußte man wieder abtauchen. Man konnte ja diesen Gerüchten oder Parolen - wenn es wieder hieß "Es gibt wieder Aktionen" - schwerlich auf den Grund gehen. Wenn man also etwas hörte, dann verschwand man mal wieder für ein paar Tage. Einmal war ich in einem leeren Haus eine Woche untergebracht. - Die Leute riskierten ja auch etwas; es gab da Leute in der katholischen Kirche, die mich da untergetaucht hatten.
 
Frage aus dem Publikum: Wie war das denn mit der Abwesenheit auf der Arbeitsstelle?
 
Frau B.: Es gibt doch Krankenscheine!
 
Herr B.: Einmal war da diese etwas längere Zeit, wovon ich sprach, sonst waren es immer nur Nächte.
 
Frage aus dem Publikum: Wenn Sie etwas gehört haben über neue Aktionen ...
 
Herr B.: Ja, wenn wir etwas gesteckt bekommen haben. Ja, es war jemand bei der Gestapo als Kraftfahrer beschäftigt - und der hat solche Nachrichten halt weitergegeben.
 
Frage aus dem Publikum: Gab es danach noch weitere Aktionen gegen die Juden?
 
Frau B.: Ja, die Juden waren ja zu dieser Zeit schon abgeholt worden. Man hatte ja Berlin mit der Fabrik-Aktion "judenfrei" gemacht.
 
Herr B.: Sofern sie nicht gesichert waren durch Mischehen.
 
Frau B.: Naja, oder untergetaucht. Aber ansonsten gab es keine Juden mehr in Berlin. Es sei denn, mit Ariern "versippt", wie man sagte. Aber hat es denn danach noch Aktionen gegeben? - Ich meine, so kleinere schon. Wenn wir immer versucht haben, die zu verstecken. An größere kann ich mich nicht mehr entsinnen.
 
Herr B.: Ja, es hat Einzelaktionen, insofern personenbezogen, gegeben. Es waren ja viele untergetaucht. Die Zahl weiß man heute nicht. Und es hat auch Spitzel gegeben. (Zustimmung seiner Frau) Die auch für die Gestapo so etwas gemacht haben, - und dann wurden die Leute abgeholt. Ich habe zwei Jahre lang mit einem solchen Spitzel meine Zeit in der Schule verbracht, also im Vorfeld dieser Tätigkeit.
 
Frau B.: Aber die hatten eine Menge Leute, man weiß nicht wie viele verpfiffen. Wenn die gesichtet wurden ...
 
Frage aus dem Publikum: Wie war das für Sie nach 1945 gewesen?
 
Herr B.: Wir hatten ja auch während der Nazi-Zeit niemals darüber nachgedacht, ins Ausland zu gehen, - und danach, als man das alles erlebt hatte, erst recht nicht. Das war dann an und für sich der Punkt, wo man politisch aktiv wurde. Weniger aufgearbeitet hat, was einem da persönlich passiert ist. Deswegen fällt es nun so schwer, wenn man so viele Dinge gefragt wird. Man hat sich damals nichts notiert.
Das wäre vielleicht sehr wichtig gewesen. Aber das heißt nicht, daß man deswegen unpolitisch gewesen ist. Im Gegenteil, es war für uns klar, zukünftigen Regungen, muß man entgegen arbeiten. (Zustimmung aller anwesenden ZeitzeugInnen.)
 
Frage aus dem Publikum: Ich wollte noch einmal zurückkommen - es war vorhin die Rede von einem Denkmal, auf dem Informationen gegeben werden sollen, die vielen in der Bevölkerung ja offensichtlich fehlen. Meine Frage deshalb, ob Sie sich mit der Künstlerin in Verbindung gesetzt haben, die seit Jahren aus ihrer eigenen Betroffenheit, aus jüdischer Herkunft kommend, sich mit dem Thema befaßt hat, und ohne, daß es einen Anstoß gab, sich einfach mit dem Menschlichen, den Angehörigen, die füreinander eingestanden sind, befaßt hat.
 
Die macht das also seit Jahren, und ringt zur Zeit noch um die Möglichkeit, dieses Denkmal materialisieren zu können. Die Galerie, von der ich komme, hat 1990 im Rahmen einer Ausstellung, die ihr gewidmet war, auch Entwürfe dieses Denkmals gezeigt. Es wäre sehr schön, wenn man ihr Gelegenheit gibt, ihr Anliegen auch an diese Litfaßsäule zu bringen.
 
Projektgruppe Rosenstraße: Ich kann dazu sagen, daß wir erst nach dem Aufstellen der Litfaßsäule von der Bildhauerin erfahren haben. Daß es das gibt, daß eine Frau da seit einigen Jahren daran arbeitet, daß dort ein Denkmal steht. Und ich hatte das so verstanden, daß es auf jeden Fall auch keine Schwierigkeiten gibt, daß dieses Denkmal auch in einem Jahr dorthin gestellt wird. Ich denke, es wäre sicher schön gewesen, sie wäre auch gekommen. Wir haben sie auch eingeladen, aber alles sehr, sehr kurzfristig, weil wir, wie gesagt, erst diese Woche davon erfahren haben. Und wie man jetzt vielleicht auch aus der Veranstaltung heraus, in Verbindung mit dem Denkmal und der Litfaßsäule überlegen könnte, wie irgendeine feste Installation an den Ort kommt, weiß ich nicht. Da ließe sich ja vielleicht auch hier nochmal drüber reden, damit das auch wirklich mal passiert, und nicht erst in vielen, vielen Jahren, wenn das alles schon wieder vergessen ist.
 
Herr B.: Wenn ich nochmals etwas zur Denkmalfrage sagen darf: Man kann ja nun nicht von der Gruppe, die das als Seminarthema gewählt hat, alles verlangen. Ich glaube, jeder von uns ist aufgerufen, wer irgendwelche Kontakte hat, dieses Vorhaben öffentlich zu machen. Welche Kanäle man da auch immer nutzt, zu denen man Zugang hat.
 
Frau B.: Ja, obwohl ich es nicht einsehe, was ist ein Denkmal? Ich finde es viel wichtiger, wenn wir uns darauf stürzen, den Jugendlichen klar zu machen, was das bedeutet hat. Und da bin ich den jungen Leuten von heute dankbar, daß sie versuchen, das zu vermitteln an Schulen.
 
Zwischenbemerkung aus dem Publikum: Ich möchte nur noch mal was dazu sagen - zu diesen Differenzierungen zwischen menschlicher und politischer Aktion. Ich denke, daß die Frauen dorthin gegangen sind und demonstriert haben, war eine menschliche Aktion, die dadurch, daß es so viele waren, und daß sie sich getraut haben, politisch war. Ich denke, wir können einfach nicht trennen zwischen menschlich und politisch.
(Applaus)
 
Herr B.: Ja, ist doch vollkommen korrekt, was Sie sagen!
 
Herr F.: Manchmal habe ich den Eindruck, daß diese Sachen totgeschwiegen werden. Denn bis vor kurzem hat man ja von dieser Sache so gut wie nichts - der Demonstration der Frauen, - nichts davon gehört, außer von eingeweihten Bekannten und Verwandten. Das wurde ja nie in Zeitungen geschrieben ... es war ja praktisch tabu, daß Frauen das Ruder in die Hand genommen haben! Die als einzige Gruppe, möchte ich sagen, gewagt haben, gegen die Nationalsozialisten aufzustehen und zu protestieren. Das ist vorher nie vorgekommen - und nachher nicht mehr ...