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- Textauszug aus dem
Roman:
- Wenn es ans Leben
geht
- von Peter Edel
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- In: Edel, Peter (1979) Wenn es
ans Leben geht. Berlin/DDR: Verlag der Nation. S. 311 -
312.
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- «Fabrikaktion» wird's
genannt. Berlin muß «judenrein»
werden!
- Alle Städte, alle
Dörfer. Hat's euch der Führer nicht prophezeit? Er hat.
Schlagartig wird zugepackt in sämtlichen Fabriken. «Das
ist das Ende», rufe ich Harry zu. Und wollte, sollte,
müßte doch jetzt laut schreien: «Schreit, wenn sie
euch holen kommen, ihr habt noch eine Stimme!» Ich hab keine
Stimme, keine, die all das Scharren und Kommandieren
übertönen könnte, niemand, der's hören
würde, hören möchte, außer Harry, der neben
mir läuft und keucht: «Ende? Das ist der Anfang, das
geht erst los!»
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- Fahrt durchs morgendliche
Berlin, durch noch fast leere Straßen. Wer sieht vom
Bürgersteig aus die Hunderte Händepaare, die sich um die
Oberdeckstangen der Lastwagen krampfen? Wer weiß, was da
abgefahren wird? Braucht keiner zu sehen, keiner zu wissen. Die
lange Wagenkolonne jagt dahin. Dächer fliegen vorüber,
Bäume, Laternen ...
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- Einfahrt in die
Mauerstraße. Einfahrt durch ein Portal. Eingang zum
«Ballhaus Clou». Hineingeknüppelte Menschenmasse zu
Menschenmassen, die im Tanzsaal bereits lagern, hocken, sich hin
und her schieben unter Papiergirlanden, Ulkplakaten, zerfetzten
Lampions, auf dreckigem, mit Strohballen, Koffern, Kleiderhaufen
besätem Parkett; Frauen, Kinder, Männer, Greise, etliche
noch in Pyjamas, etliche in Morgenröcken, die meisten in
Arbeitskleidung, einige schrubben den Tanzboden blitzblank, blank
wie die Langschäfter der SS-Männer, die dort
wichtigmacherisch Aufsicht führen, bisweilen die Hacken
zusammenknallen und den rechten Arm hochreißen vor einem
Zivilisten, einem großen Tier, wie man hört, vor Adolf
Eichmanns Abgesandtem, vor Herrn Brunner, dem legendären
Aufräumer, Deportationsspezialisten aus Wien, der nun mal
zeigen wird, wie er dorten die Baggasch, die dreckate
z'sammgetrieben, wegg'schafft, Remasuri g'macht hat, aba fesch
...
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- Die Nächte im Ballhaus: im
Dunst der schwitzenden, kranken, wimmernden, untertänig
jammernden, jäh in Irrsinn verfallenden Menschen, im Suchen
nach der einen, der einzigen, im hektischen Fragen nach ihr:
«Habt ihr sie gesehen, kennt ihr eine Lilo, eine Esther Lilo
Sara Edel, wißt ihr vielleicht, wohin man die Mädchen
aus Siemensstadt gebracht - ob jemand hier - man hat mir gesagt,
daß sie...»
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- Die Nachrichten von
draußen: Parolen, Latrinenparolen, Angstlügen. Die kaum
glaubliche Kunde dann, daß arische Frauen jüdischer
Männer, Söhne, Töchter sich vor einer der
Sammelstellen in der Rosenstraße vereinigt hätten zu
einem Protestmarsch, daß sie Stunde um Stunde dort auf und
ab gingen, nach ihren Männern, Töchtern, Söhnen
riefen, nicht zu vertreiben seien von der Gestapo noch von der
Polizei; tapfere Frauen, zum Äußersten entschlossene
Mütter. Auch meine Mutter? Es könnte sein. Es ist so.
Aber ich weiß es noch nicht.
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- Da ist in diesen Nächten,
diesen Tagen nur Harrys bleiches, verbissenes Gesicht, das sagt:
«Mach jetzt nicht schlapp! » Da schlafen wir für
kurze Frist erschöpft nebeneinander ein. Da wachen wir auf
und werden geschüttelt, mit Stiefelabsätzen getreten,
auf den Tanzboden gejagt zusammen mit einigen anderen Abgeholten.
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- Werden voneinander getrennt.
Werden - wir fassen es nicht - «als Abkömmlinge eines
arischen Elternteils vorläufig entlassen». Zur Arbeit,
zu sofortiger Meldung für den Zwangsdienst. «Bis auf
weiteres, bis wir uns wiedersehen, meine Damen und Herren, das
wird bald sein, verstanden?»
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